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Kaskadierende Naturgefahren

Fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung lebt in Küstenregionen, und diese Zahl steigt weiter an. Die hohe Bevölkerungsdichte an unseren Küsten und das erwartete Wachstum komplexer kritischer Infrastrukturen und Meeresdienstleistungen in den Küstenregionen führen zu einer zunehmenden Gefährdung und Anfälligkeit für marine Naturgefahren. Diese marinen Georisiken stellen eine erhebliche Bedrohung für die europäische Küstenbevölkerung und die Entwicklung der "Blauen Wirtschaft" dar, auf die derzeit 1,5 % der Wirtschaft und 2,2 % der Arbeitsplätze entfallen. Aus diesem Grund hat die DAM die Forschungsmission mareXtreme ins Leben gerufen, um verschiedene dieser Gefahren in europäischen Gewässern zu untersuchen. Dazu gehören Georisiken, aber auch biologische Gefahren sowie meteorologische und ozeanographische Gefahren (www.marextreme.de).

Bei all diesen Gefahren werden bei der Untersuchung der einzelnen Gefahr die oft dramatischen Kaskadeneffekte unterschätzt. Kaskaden und kumulative Ereignisse sind Ketten von Mehrfachgefahren, bei denen ein auslösender Prozess zu anderen Phänomenen führt. Dies führt dann zu additiven oder sich vervielfachenden Auswirkungen, die die Zahl der Todesopfer und Schäden erheblich erhöhen. Der Kaskadeneffekt führt zu einer unvorhersehbaren Kette von Ereignissen mit einem Dominoeffekt, bei dem eine anfängliche Gefahr ein anderes Ereignis auslöst, welches wiederum ein anderes in einer linearen Abfolge auslösen kann, wobei sich alle Auswirkungen summieren. Bei einer kumulativen Gefahr vervielfachen sich die Auswirkungen und verstärken sich somit erheblich. Dieser Effekt kann rein natürlicher Natur sein (z. B. Erdbeben => Erdrutsch => Tsunami), aber auch technologisch und vom Menschen verursacht (z. B. Tsunami => Überflutung der Infrastruktur => Kernschmelze im Kernkraftwerk/gebrochene Gasleitungen verursachen Brände/etc.) Solche kumulativen Gefahrenkaskaden stellen ein kaum vorhersehbares Risiko dar, erfordern aber eine Quantifizierung für den Bau von Infrastrukturen, Rückversicherungsgesellschaften usw.

Im Rahmen des Projekts MULTI-MAREX befassen sich die Projektleiter:innen des MARUM mit verschiedenen Naturgefahren im östlichen Mittelmeer. In diesem Gebiet Europas ist die Seismizität am höchsten und viele Küstengemeinden sind extrem gefährdet - insbesondere im Sommer, wenn Millionen von Touristen zu Besuch kommen. Im Rahmen des Projekts werden vulkanische, seismische Gefahren sowie Gefährdungen durch Tsunamis untersucht. Das Projekt beleuchtet aber auch sedimentäre Gefahren am Meeresboden wie unterseeische Erdrutsche, aktive Schlammvulkane und andere Massentransferereignisse. Zu den Zielen der MARUM-Forscher:innen gehören die numerische Simulation von Hangrutschungen (Huhn, Bartzke) und die Entwicklung von Meeresbodeninstrumenten, die in der Lage sind, frühzeitig vor Gefahren zu warnen (Kopf, Menapace).

Das im Rahmen des Marie-Skłodowska-Curie-Programms finanzierte Europäische Ausbildungsnetzwerk POSEIDON (www.poseidon-dn.eu) bringt MARUM-Wissenschaftler:innen (Huhn, Gatter) mit Expert:innen verschiedenster europäischer Ländern, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Industriepartnern und Regierungsbehörden zusammen, um submarine Naturgefahren zu untersuchen. Gemeinsam wird so einer neuen Generation von Doktorand:innen die Möglichkeit geben, sich mit den Instrumenten zur Identifizierung, Kartierung, Bewertung und Vorhersage von Offshore-Georisiken auszustatten. Ihr Ziel ist es, innovative Methoden zum Schutz, zur Stärkung und zur Förderung der Widerstandsfähigkeit unserer Offshore-Infrastrukturen zu entwickeln, während sie sich gleichzeitig in den stürmischen Gewässern des Klimawandels bewegen.

Cascading geohazards