MARUM-MeBo in der Antarktis

05.06.2024
Transkontinentales Flusssystem durchzog die Westantarktis vor dauerhafter Vereisung
Eisberge in der Antarktis während der Forschungsexpedition PS104. Vor etwa 34 Millionen Jahren, am Ende des Eozäns, war die Westantarktis weitgehend eisfrei. Foto: MARUM, Uni Bremen; T. Bickert
Eisberge in der Antarktis während der Forschungsexpedition PS104. Vor etwa 34 Millionen Jahren, am Ende des Eozäns, war die Westantarktis weitgehend eisfrei. Foto: MARUM, Uni Bremen; T. Bickert

Die Antarktis war nicht immer eine isolierte, eisbedeckte Landmasse. Bis vor etwa 100 Millionen Jahren bildete sie den zentralen Teil des Superkontinents Gondwana, nach dessen Zerfall sie sich als eigenständiger Kontinent etablierte. Trotz südpolarer Lage herrschten in der Antarktis aber bis zum Ende des Eozäns vor circa 34 Millionen Jahren gemäßigte Klimabedingungen, und der Kontinent war von weit verzweigten Flusssystemen durchzogen. Das bisher größte dieser Systeme wurde nun von Forschenden vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen und dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven in Kooperation mit deutschen, britischen, irischen und schwedischen Universitäten und Forschungsinstituten entdeckt und in der Zeitschrift Science Advances beschrieben.

 

Das Team untersuchte Sedimentproben, die während der Expedition PS104 des Forschungseisbrechers POLARSTERN im Februar/März 2017 mit dem Bohrgerät MARUM-MeBo 70 in der Amundsen See vor der westantarktischen Küste gewonnen wurden. Sedimentologische, petrologische, geochronologische und thermochronologische Analysen zeigen, dass die meisten Minerale und Gesteinsbruchstücke dieser Proben nicht der Westantarktis entstammen, sondern dem tausende Kilometer entfernten Transantarktischen Gebirge am Rand der Ostantarktis zuzuordnen sind. Dieses Gebirge hob sich seit dem späten Eozän als steile Schulter eines kontinentalen Grabens, des Antarktischen Riftsystems, der heute die Antarktis in die zwei Landmassen der Ost- und Westantarktis teilt.

Hebung und Erosion des Transantarktischen Gebirges produzieren seither große Mengen Abtragungsschutt, den der neu entdeckte Strom über eine Distanz von mehr als 1.500 Kilometer durch das Westantarktische Riftsystem in das heutige Amundsen Meer transportierte und dort in einem sumpfigen Flussdelta ablagerte. Dies konnte durch die Analyse seismischer Daten bestätigt werden. Moderne Beispiele für große Flusssysteme in einem ähnlichen geologischen Umfeld sind der Nil im Ostafrikanischen Grabenbruch oder der Rhein im Oberrheingraben.

Die Existenz eines solch transkontinentalen Flusssystems zeigt, dass – anders als heute – große Teile der Westantarktis als ausgedehnte, flache Küstenebenen oberhalb des Meeresspiegels gelegen haben müssen. Aufgrund der geringen Topographie war die Westantarktis im ausgehenden Eozän noch eisfrei, während die gebirgigen Regionen der Ostantarktis bereits zu vereisen begannen.

Originalpublikation:

Maximilian Zundel, Cornelia Spiegel, Chris Mark, Ian Millar, David Chew, Johann Klages, Karsten Gohl, Claus-Dieter Hillenbrand, Yani Najman, Ulrich Salzmann, Werner Ehrmann, Jürgen Titschack, Thorsten Bauersachs, Gabriele Uenzelmann-Neben, Torsten Bickert, Juliane Müller, Rober Larter, Frank Lisker, Steve Bohaty, Gerhard Kuhn, the Science Team of Expedition PS104: A large-scale transcontinental river system crossed West Antarctica during the Eocene. Science Advances 2024. DOI: 10.1126/sciadv.adn6056